Die Suche reduziert sich in der Praxis auf eine Entscheidung zwischen Microsoft Office365 einerseits und dem vom Land betriebenen Logineo NRW andererseits. Was sind die Unterschiede, was muss man beachten?
Beides sind internetbasierte Plattformen, die eine Mailadresse und natürlich auch ein Mailprogramm bereitstellen, beide stellen auch Terminkalender bereit, die ganz oder teilweise mit Anderen geteilt werden können. Termine und Mails lassen sich bei beiden Systemen auch mit externen Programmen, z.B. Outlook oder Thunderbird, verwalten. Hier geben sich die beiden Systeme kaum etwas.
Gemeinsamkeiten...
Beide Plattformen integrieren auch einen Cloudspeicher, also die Möglichkeit, Dateien im Internet zu speichern und (nach Login) von beliebigen mit dem Internet verbundenen Geräten zu nutzen. Über einen Webbrowser funktioniert das immer, die Integration in den Dateimanager des Betriebssystems gelingt bei Office365 komfortabel, bei Logineo nur mit einigen Tricks und auch dann nicht immer ganz störungsfrei.
Logineo verfolgt zusätzlich den Ansatz des »single sign in«, d.h. dass man nach einmaliger Anmeldung weitere Dienste nutzen kann. Das erspart das Hantieren mit verschiedenen Nutzeraccounts und Passwörtern, für die es womöglich auch noch unterschiedliche Vorgaben gibt. Auch muss man z.B. seinen Status als Lehrer*in nur ein einziges Mal nachweisen und kann dann bei allen angeschlossenen Diensten Lehrermaterialien abrufen. Das ist ein guter Ansatz – in der Praxis ist zur Zeit aber nur das Lehrer*innen-Netflix »Edmond.nrw« als zusätzlicher Dienst angebunden, der Nutzen ist daher bislang gering. Für die Zukunft sind aber auch Zugänge zu Lernplattformen wie beispielsweise Moodle oder online-Materialien und Apps zu Schulbüchern sowie die digitalen Schulbücher BioBook NRW und mBook Gemeinsames Lernen angedacht.
...und Unterschiede
Im Gegensatz zu Logineo enthält Office365 zusätzlich zu Cloud und Mail/Kalender auch das namensgebende Microsoft Office, also Word, Excel, Powerpoint und weitere Programme. Die in Office365 enthaltenen Programme ersetzen nicht einfach nur die herkömmlichen Versionen von Word etc., sondern bieten auch die Möglichkeit, online Dokumente gemeinsam in Gruppen zu bearbeiten und sie über die angeschlossene Cloud anderen Nutzer*innen zugänglich zu machen. Logineo kann das im Prinzip auch, es enthält derzeit aber nur einen sehr einfachen Texteditor, mit dem Listen und Notizen angefertigt werden können, nicht jedoch vollwertige Text- oder Tabellendokumente. Selbst das direkte Speichern aus einer lokal (auf dem eigenen Rechner) installierten Textverarbeitung in die Logineocloud ist zur Zeit nicht möglich; es sind immer zwei Schritte erforderlich: Speichern auf dem eigenen Rechner, anschließend Hochladen in die Cloud. Die Einbindung eines vollwertigen Officeprogramms mit den gleichen Möglichkeiten der Zusammenarbeit wie in Office365 wäre im Prinzip auch bei Logineo möglich, ist aber eine Kostenfrage.
Vorteil für Office365...
Was die Leistungsfähigkeit angeht, liegt Office365 also klar vor Logineo. Office liegt auch dadurch vorne, dass es ab sofort von jeder Schule geordert werden kann, und zwar sowohl für Lehrer*innen als auch für Schüler*innen. Logineo wird seit Ende 2019 zwar nach und nach »ausgerollt«, d.h. für interessierte Schulen freigeschaltet, die Schulen werden aber nicht alle zugleich, sondern gestreckt über einen längeren Zeitraum versorgt. Die Einbindung von Schüler*innen ist für einen noch späteren, bislang nicht näher definierten Zeitpunkt geplant.
Logineo ist für Lehrer*innen kostenlos (wenn die Schule die Einführung beschließt). Wer zahlt, wenn später auch Schüler*innen Zugriff erhalten sollen, ist noch nicht endgültig geklärt. Office365 wird an Bildungseinrichtungen sehr günstig, häufig sogar kostenlos abgegeben. Microsoft handelt hier natürlich nicht selbstlos, sondern möchte Lehrkräfte und letztlich Schüler*innen an das eigene Produkt binden, um so langfristig die Stellung von Office(365) als Industriestandard zu sichern.
...aber gravierende Risiken
Es spricht also einiges für Office365 – wenn es nicht die Datenschutzbedenken gäbe... Logineo speichert seine Daten auf Servern des kommunalen Rechenzentrums Niederrhein in Viersen (also im Geltungsbereich deutscher Datenschutzgesetze) und das Ministerium übernimmt als Anbieter des Dienstes die datenschutzrechtliche Verantwortung. Die Lehrer*innen sind eigentlich nur noch in der Verantwortung für die Sicherheit privater Geräte (keine Nutzung von Logineo auf privaten Endgeräten ohne Genehmigung der Schulleitung) und natürlich dafür, dass sie personenbezogene Daten nicht unerlaubt bzw. an unberechtigte Personen weitergeben.
Bei Office 365 gibt es zwei grundsätzlich unterschiedliche Probleme mit dem Datenschutz.
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Es fallen so genannte Metadaten an, d.h. Daten darüber, wer wann wo und mit welchem Gerät was gemacht hat. Diese Daten werden einerseits von Microsoft erhoben und verarbeitet und können z.B. zum Ausspielen personalisierter Werbung verwendet werden. Sie können u.U. auch an andere Firmen weitergegeben werden, wo sie mit weiteren Daten(z.B. aus der Nutzung von facebook, amazon, etc.) zu einem umfassenden Profil verknüpft werden können. Andererseits werden diese Daten aber auch an der Schule selber verarbeitet und es kann z.B. die Administrator*in einsehen, wann und wie häufig Dokumente geöffnet oder Mails abgerufen werden.
Metadaten betreffen zwar nicht den Inhalt der bearbeiteten Dokumente, sie können aber trotzdem sehr umfangreich sein. Zu denken wäre z.B. an Ausgaben der Rechtschreibprüfung, der Liste kürzlich bearbeiteter Dokumente, der Häufigkeit und des Zeitpunkts von Emailabruf etc. Wer sich einen Eindruck vom möglichen Umfang dieser Metadaten verschaffen möchte, kann diesen am einfachsten bei Microsoft selbst gewinnen. Alle Nutzer*innen von Office365 haben gemäß DSVGO das Recht, die (schulischen) Administrator*innen um Auskunft zu den über sie gespeicherten Daten zu bitten. Zur Unterstützung der Administrator*innen bei solchen Anfragen hat Microsoft eine Website eingerichtet, die genau beschreibt, an welcher Stelle welche (Meta-)daten abgerufen werden können1. Diese Seite umfasst ausgedruckt 103 A4-Seiten.
Von der Speicherung und Erhebung der Metadaten sind nur diejenigen betroffen, die selber mit Office365 arbeiten. Wenn Lehrer*innen oder Schüler*innen das Produkt freiwillig nutzen, und zwar wohlwissend, dass ihr Nutzungsverhalten sowohl von Microsoft als auch von Administrator*innen an der Schule überwacht werden kann, liegt wahrscheinlich kein Problem vor. Anders sähe die Sache aus, wenn die Nutzung von Office365 vorgeschrieben oder für die Funktion in der Schule de facto unerlässlich wäre. Das wäre mit Sicherheit ein Verstoß gegen die Regeln des Datenschutzes. -
Auch die Inhalte von Dateien können u.U. bei Microsoft landen. Das lässt sich zwar im Prinzip verhindern, aber es müssen eine ganze Menge Einstellungen richtig gemacht und auch noch überwacht werden – nach einem Programmupdate verstellt Microsoft Systemeinstellungen zuweilen so, dass der Datenschutz beeinträchtigt wird. Auch im Falle eines Programmabsturzes werden i.d.R. (»zur Qualitätsverbesserung«) Daten an Microsoft verschickt. Welche genau das sind, weiß man nicht, weil die Daten verschlüsselt sind und Microsoft hierzu keine Auskunft erteilt. Es ist aber naheliegend, dass auch der Inhalt von Dokumenten, die ein Programm zum Absturz bringen, an den Hersteller übermittelt wird. Emails, die über Office365 verschickt werden, nehmen ihren Weg immer über Server von Microsoft.
In all diesen Fällen werden nicht nur Metadaten, sondern auch die Inhalte von Dokumenten auf Servern von Microsoft oder weiteren Vertragspartnern verarbeitet. Diese Server stehen teilweise außerhalb der EU und damit außerhalb des Geltungsbereichs der DSGVO. Eine Verarbeitung von Daten Dritter (Schüler*innen, Eltern, Kolleg*innen) mit Office365 ist daher nicht zulässig.
Fazit?
Was also tun? Office365 ist eindeutig die komfortablere Wahl. Es ist außerdem nahezu oder sogar völlig kostenlos. Allerdings ist die Verarbeitung personenbezogener Daten – und darunter fällt schon eine einfache Klassenliste – damit untersagt, man benötigt also immer zwei Programme: Eine Textverarbeitung für Personenbezogenes und Office365 für den Rest, ein Mailprogramm für Personenbezogenes, Office365 für den Rest, usw. Ob das auf Dauer wirklich eine Erleichterung ist, muss jede*r für sich selbst entscheiden. Auch der Datenaustausch mit Schüler*innen funktioniert (z.Zt.) nur mit Office365. Ob dies allerdings datenschutzkonform möglich ist, ist Auslegungssache.
Logineo ist in Sachen Datenschutz unproblematisch, bietet aber auch erheblich weniger Möglichkeiten.
Viele schulische Datenschutzbeauftragte raten von Office365 inzwischen nicht mehr grundsätzlich ab. Sie stellen sich damit in Widerspruch sowohl zur Medienberatung des Schulministeriums als auch zur Landesbeauftragten für den Datenschutz (LDI)2. Das können sie, weil sie nicht weisungsgebunden sind. Sie sind allerdings auch selber nicht weisungsberechtigt, d.h. ihr Rat ist letztlich unverbindlich – die Verantwortung für mögliche Datenschutzverstöße trägt die Schulleitung oder Kolleg*in immer selbst und kann sie nicht auf die Datenschutzbeauftragten abwälzen. Sicherer fährt gewiss, wer hier vorsichtig agiert und sich an den Rat des Schulministeriums hält: Office365 lieber nicht einsetzen.